Mein größter „bindungsorientierter Fehler“

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Ich habe euch auf Instagram gefragt, welches Thema ihr euch als nächstes wünscht. Ich habe euch drei zur Auswahl gestellt und ihr wart eindeutig für dieses hier! Ihr neugierigen Nasen! 🙂 Was hab ich wohl „falsch“ gemacht?! 😛

Zu der Zeit hatte ich mich noch nicht außreichend mit dem Thema beschäftigt und natürlich noch keinerlei Fortbildungen besucht.

Also los.

Im ersten Lebensjahr meines großen Sohnes viel mir „bindungsorientiert“ (oder bedürfnisorientiert-nennt es wie ihr wollt :-)) relativ leicht. Es gab natürlich anstrengende Phasen aber egal wie anstregend ich es manchmal fand, für mich war klar, dass ich mein Kind immer bei seinen Gefühlen begleite, es hoch nehme, wenn es weint, es trage, es in den Schlaf begleite, … was halt so anfiel. Ich achtete so gut ich konnte auf seine Bedürfnisse und versuchte diese zu erfüllen. Dann ging es irgendwann in die allgemein als Autonomiephase bekannte Zeit. Da wurde es schon etwas schwieriger aber für mich war durch die ersten Bücher die ich so gelesen hatte klar:

 

  • Kinder sollten in einer Ja-Umgebung aufwachsen
  • Kinder hören kein nein – sie filtern es raus
  • lasse deinem Kind viel Freiraum um sich auszuprobieren und zu entwickeln
  • das kindliche Gehirn ist noch nicht in der Lage sich in andere hineinzuversetzen und sie können sich auch noch nicht selbst regulieren
  • wir bestimmen den ganzen Tag soviel über die Kinder – lass sie mitbestimmen

 

Ich könnte die Liste noch unendlich fortführen. Jeder einzelne Punkt ist auch sicherlich korrekt. Trotzdem haben mich diese ganzen einzelnen Informationen dazu gebracht folgendes zutun:

Ich habe alle mir bekannten Bedürfnisse meines Kindes erfüllt – aber so gut wie keins von meinen eigenen! Wenn ich ehrlich bin wußte ich noch nicht mal was genau meine Bedürfnisse eigentlich sind. Was brauche ich um gut durch den Tag zu kommen? Was ist grundlegend und was ist zwar schön aber muss halt auch nicht sein?!

Ich hatte KEINE Ahnung.

Und das in Kombination mit den Instagramaccounts die ich zu der Zeit konsumierte tat mir definitiv nicht gut. Einmal sah ich wie eine Mutter ihr Kind mit Joghurt den Esstisch vermatschen ließ. Ich sage nur Freiraum, Ja-Umgebung, sich erfahren, wie fühlt sich das an, experimentieren. JA völlig okay das diese Mutter das so gemacht hat. Aber ich sah den einen wichtigen Punkt nicht. Oder besser zwei Punkte. 1. Ich musste das nicht genauso machen um eine gute Mutter zu sein. MEINE BEDÜRFNISSE zählen auch – und wenn mein Bedürfnis in dem Moment Ordnung und Sauberkeit ist, dann ist das auch okay! Und 2. kein Kind hat das Bedürfnis „mit Joghurt matschen“. Es hat ganz bestimmt den Wunsch und das Interesse verschiedene Konsestenzen zu fühlen, zu probieren und einfach zu erfahren. Aber das ist KEIN Bedürfnis. Das Bedürfnis hinter dem Joghurt könnte sein Spiel, Erforschung und Erleben. Das bedeutet, wenn ich nicht möchte, dass mein Kind jetzt am Tisch experimentiert, dann ist das erstmal völlig okay! Alternativ kann ich eine sichere, für mich stressfreiere Umgebung schaffen, in der das Kind sich ausprobieren kann und dieses Bedürfnis befriedigt bekommt. Das könnte in diesem Fall Knete, Salzteig, Schleim, Seife oder was euch sonst noch so einfällt sein. Es könnte aber auch sein, dass Papa in dem Moment dem ganzen völlig relaxt gegenübersteht und das Kind es dann einfach mit ihm macht.

Versteht mich bitte nicht falsch, wenn dein Kind am Esstisch matschen möchte und für dich ist das in dem Moment okay, dann ist das super!

Natürlich ist das für das Kind gut aber ein anderer Weg kann auch in Ordnung sein. Denn, wenn du nach einer Minute Matscherei schon mit den Nerven total am Ende bist, weil du das eigentlich gar nicht wolltest aber es trotzdem gemacht hast, weil du ja weißt „Ja-Umgebung“, „Kind viel mitbestimmen lassen“,… und so weiter, dann ist das halt auch nicht gut.

Dafür muss man aber auch erst einmal wissen, was für einen überhaupt okay ist. Das kann auch von Tag zu Tag unterschiedlich sein!

Das soll jetzt allerdings auch kein Freifahrtsschein dafür sein, seinem Kind alles abzuschlagen. Es sollte klar sein, dass ein Baby seine Bedürfnisse (die ja meist Grundbefürfnisse wie Hunger und Schlaf sind) nicht aufschieben kann. Diese Fähigkeit wächst und reift mit dem Kind und ein Kleinkind kann auch schon mal kurz warten. Wir Erwachsenen können im Normalfall unsere Bedürfnisse hinten anstellen aber sie müssen auch dran kommen und dürfen nicht ganz in Vergessenheit geraten!

Lasst eure Kinder so viel ausprobieren und mitbestimmen wie möglich – aber vergesst euch dabei nicht.

Schaut immer auch auf eure aktuellen Bedürfnisse. Wenn ihr feststellt, dass ihr euer Kind sehr wenig machen und ausprobieren lasst, weil es euch sonst in irgendeiner Form stresst, dann schaut noch einmal besonders gut auf euch! Warum stresst euch das? Was steckt dahinter? Triggert euch irgendwas an den Situationen? Es ist wichtig, dass es euch gut geht, damit ihr eurem Kind eine schöne Kindheit ermöglichen könnt.

Das Ganze führte für mich dazu, dass ich öfters gestresst war als ich es hätte sein müssen, wenn ich besser auf mich geachtet hätte. Dazu kam dann aber auch dass ich meinem Sohn nicht immer das spiegelte was ich fühlte. Ich ließ ihn was machen und eigentlich wollte ich es nicht. Das kann Verwirrung und ein Gefühl von „nicht richtig sein“ in Kindern auslösen. Sie sind so feinfühlig und merken sofort, wenn etwas nicht stimmt. Außerdem ist es wichtig, dass Kinder durch unsere Mimik und Gestik, Gefühle erkennen lernen um irgendwann empathiefähig zu sein und so lernen sich in ihr Gegenüber einzufühlen. Auch Selbstregulation kann etwas schneller reifen, wenn Kinder bestimmte Gefühle, begleitet durch uns, durchleben. Trotzdem bleibt es ein Reife- und kein Lernprozess! Wenn man bestimmte Situationen versucht zu umgehen, um eventuelle Gefühlsausbrüche zu verhindern, dann achtet man nicht auf sich, sondern nur aufs Kind und man nimmt dem Kind die Chance, an dieser Situation zu wachsen.

Es geht nicht darum, dem Kind künstliche Grenzen zu setzten, sondern darum natürliche Grenzen der Mitmenschen zu achten.

Wie heißt es so schön;

„Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt“(Immanuel Kant).

Bindungs- oder bedürfnisorientiert heißt also NICHT, dass es sich immer nur ums Kind dreht. Es geht um ein gleichwürdiges Miteinander auf Augenhöhe.

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Das Ganze ist ein Prozess, weswegen wir nicht so streng mit uns sein sollten. Deswegen möchte ich meinen Weg auch nicht als Fehler bezeichnen, sondern es war und ist ein Lernprozess, der mich bereits ein ganzes Stück weiter gebracht hat. Wir selber sind geprägt durch die Erziehung unserer Eltern und tragen auch so noch viele Erlebnisse und Gefühle der letzten zwei Generationen, mit uns rum. Wir haben oft gelernt unsere Bedürfnisse nicht zu äußern oder sogar zu verstecken.

Wir wünschen uns für unsere Kinder etwas anderes.

Das ist wundervoll, allerdings auch echte Arbeit! Und die Arbeit beginnt mit uns. Ganz nach dem Motto:

„Do the best you can until you know better. Then when you know better, do better.“                 Maya Angelou

Übrigens: Heute matschen meine Kinder auch manchmal am Esstisch und manchmal halt auch nicht!

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