
Was ist Emetophobie? Diese spezifische Angststörung beschreibt eine intensive Angst vor dem Erbrechen: sowohl davor, selbst erbrechen zu müssen, als auch davor, andere dabei zu erleben. Obwohl sie viele Menschen betrifft, wird sie oft missverstanden. Dabei kann Emetophobie das Leben massiv beeinträchtigen. Sie geht weit über eine normale Abneigung oder ein flaues Gefühl im Magen hinaus und führt häufig zu erheblichen Einschränkungen im Alltag.
In diesem Artikel bekommst du einen umfassenden Überblick über die Angst vor dem Erbrechen: von den Symptomen und möglichen Ursachen über Auswirkungen auf das tägliche Leben bis hin zu ersten Schritten zur Selbsthilfe. Auch Therapieansätze und weiterführende Informationen findest du hier.
Inhaltsverzeichnis
# Grundlegende Definition: Was ist Emetophobie?
# Symptome: Körperliche, psychische und verhaltensbedingte Anzeichen
# Ursachen und Auslöser: Entstehung und typische Trigger
# Auswirkungen auf den Alltag: Soziale, berufliche und gesundheitliche Folgen
# Kurzer Ausblick auf Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten
# Erste Selbsthilfe-Ansätze
# Buchempfehlungen bei Emetophobie
Was ist Emetophobie? Wenn die Angst vor dem Erbrechen das Leben bestimmt
Vielleicht kennst du das Gefühl: Der Gedanke an Übelkeit oder Erbrechen löst sofort ein starkes Unbehagen in dir aus. Doch wann wird aus einer natürlichen Abneigung eine krankhafte Angst? Und was ist Emetophobie eigentlich genau?
Emetophobie ist eine stark ausgeprägte, oft lähmende Angst vor dem Erbrechen. Diese Angst kann sich ganz unterschiedlich zeigen:
- Die Angst, selbst erbrechen zu müssen
- Die Angst, andere Menschen erbrechen zu sehen oder zu hören
- Manchmal reicht schon die bloße Vorstellung oder das Gespräch über Erbrechen aus, um starke Angst auszulösen.
Doch wo liegt die Grenze zwischen „unangenehm“ und „krankhaft“? Entscheidend ist, wie stark dich diese Angst im Alltag einschränkt. Wenn du oder dein Kind (falls du als Elternteil betroffen bist) alltägliche Situationen vermeidet, nur um nicht mit Erbrechen konfrontiert zu werden, dann kann es sich um eine Emetophobie handeln. Spätestens wenn dein Leben spürbar von dieser Angst bestimmt wird, ist es sinnvoll, aktiv zu werden und Unterstützung zu suchen.
Menschen mit Emetophobie entwickeln häufig ausgeprägte Vermeidungsstrategien, um jeder möglichen Konfrontation mit Übelkeit oder Erbrechen aus dem Weg zu gehen. Typische Beispiele sind:
- Karussells, schnelle Autofahrten oder Flüge vermeiden
- Auf Alkohol oder bestimmte Lebensmittel verzichten
- Keine Schiffsreisen unternehmen
- Orte mit vielen Menschen (wie Volksfeste, Krankenhäuser oder öffentliche Verkehrsmittel) meiden aus Angst vor Ansteckung mit Magen-Darm-Viren
Mehr als nur Ekel: Der Unterschied zur normalen Abneigung
Fast alle Menschen empfinden Ekel oder zumindest Unbehagen, wenn es um Erbrechen geht. Das ist eine völlig normale und natürliche Reaktion. Doch bei der Emetophobie geht die Angst vor dem Erbrechen weit darüber hinaus. Sie zählt zu den spezifischen Phobien und ist damit eine ernstzunehmende Angststörung, die deutlich mehr ist als bloßer Ekel.
Betroffene spüren nicht nur leichtes Unwohlsein, sondern eine intensive, oft als irrational empfundene Angst, die sich bis hin zur Panik steigern kann. Schon der Gedanke an Übelkeit oder Erbrechen kann massiven Stress auslösen. Körperliche Symptome wie Herzrasen, Schweißausbrüche oder ein starker Fluchtreflex treten häufig auf.
Genau diese Intensität und die gravierenden Auswirkungen auf das tägliche Leben unterscheiden die Emetophobie klar von einer gewöhnlichen Abneigung.
Emetophobie erkennen: Abgrenzung zu anderen Ängsten und Störungen
Es ist nicht immer einfach, Emetophobie klar von anderen psychischen Belastungen abzugrenzen. Viele Symptome ähneln sich, doch es gibt wichtige Unterschiede:
- Andere Angststörungen: Während sich viele Angststörungen um variablere Themen drehen (wie soziale Situationen bei der Sozialphobie, bestimmte Orte bei der Agoraphobie oder allgemeine Sorgen bei der generalisierten Angststörung), ist die Angst bei Emetophobie fast ausschließlich auf das Thema Erbrechen fixiert. Diese Fokussierung kann das Denken und Handeln stark beeinflussen.
- Hypochondrie (Krankheitsangst): Menschen mit Hypochondrie fürchten in erster Linie schwere Krankheiten. Bei Emetophobie steht hingegen nicht die Krankheit selbst im Mittelpunkt, sondern ganz konkret die Angst vor dem Erbrechen als möglichem Symptom. Die Sorge gilt dem Erbrechen, nicht dem Kranksein.
- Soziale Phobie: Viele Menschen fühlen sich unwohl bei dem Gedanken, sich vor anderen zu übergeben. Bei der Emetophobie steht jedoch das Erbrechen selbst im Zentrum, nicht die Bewertung durch andere. Die Angst besteht oft auch dann, wenn man alleine ist. Bei der sozialen Phobie geht es hingegen um die Angst vor Ablehnung oder negativer Beurteilung durch andere.
- Zwangsstörungen (Zwänge): Viele Betroffene entwickeln strenge Kontroll- oder Vermeidungsverhalten, zum Beispiel häufiges Händewaschen, strenge Kontrolle von Lebensmitteln oder das Meiden bestimmter Orte. Diese Maßnahmen sollen eine Ansteckung oder Übelkeit verhindern. Das kann zwanghaft wirken. Der Unterschied zur echten Zwangsstörung liegt häufig in der Wahrnehmung: Menschen mit Emetophobie empfinden ihr Verhalten meist als sinnvoll und notwendig, um Erbrechen zu vermeiden. Menschen mit einer Zwangsstörung wissen hingegen oft, dass ihre Handlungen übertrieben oder unlogisch sind, fühlen sich aber gezwungen, sie auszuführen.
Die unerkannte Krankheit: Wie viele Menschen in Deutschland sind betroffen?
Was ist Emetophobie – und bin ich damit allein?
Diese Frage stellen sich viele Betroffene. Die klare Antwort:
Nein, du bist nicht allein mit deiner Angst vor dem Erbrechen.
Auch wenn Emetophobie nicht zu den häufigsten Angststörungen zählt, ist sie keineswegs selten. Die Vielzahl der Suchanfragen zu „Was ist Emetophobie?“ zeigt, dass deutlich mehr Menschen betroffen sind, als oft angenommen wird.
Zahlen und Fakten zur Verbreitung:
Laut der Dresden Mental Health Study, einer großen deutschen Bevölkerungsstudie, zeigen sich folgende Werte:
- Etwa 0,1 % der Bevölkerung leidet aktuell unter Emetophobie. Das klingt wenig, bedeutet aber: Eine von 1.000 Personen ist betroffen.
- Über die Lebenszeit hinweg (Lebenszeitprävalenz) liegt der Wert bei rund 0,2 % – also etwa zwei von 1.000 Menschen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Angst vor dem Erbrechen.
In einer Stadt mit 1,5 Millionen Einwohnern wären das immerhin rund 1.500 Betroffene – und das sind nur die bekannten Fälle. Die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich höher, denn viele Menschen sprechen aus Scham nicht über ihre Ängste oder wissen gar nicht, dass es sich um eine behandlungsbedürftige Phobie handelt.
Warum so viele Fälle unentdeckt bleiben
Mehrere Gründe führen dazu, dass Emetophobie oft nicht erkannt oder gemeldet wird:
- Viele schämen sich für ihre Angst vor dem Erbrechen.
- Die Frage „Was ist Emetophobie?“ wird kaum öffentlich thematisiert, obwohl sie für viele relevant ist.
- Selbst Fachleute erkennen die Störung nicht immer direkt oder ordnen sie falsch ein.
- Betroffene meiden aktiv Situationen, die mit Erbrechen zu tun haben, und suchen keine Hilfe.
- Die Symptome werden manchmal anderen psychischen Erkrankungen zugeordnet, etwa Angststörungen oder Zwangsstörungen.
Auffällig: Frauen sind häufiger betroffen als Männer
Besonders auffällig ist der geschlechtsspezifische Unterschied: Mehr als 83 % der Betroffenen sind Frauen oder Mädchen. Das Verhältnis liegt bei etwa 5:1. Diese Verteilung kennt man auch von anderen Angststörungen, doch bei Emetophobie ist der Unterschied besonders ausgeprägt.
Du siehst also: Auch wenn nicht offen darüber gesprochen wird, ist die Angst vor dem Erbrechen keine absolute Seltenheit, und du bist mit diesem Problem definitiv nicht allein.
Symptome der Emetophobie: Körperlich, psychisch, verhaltensbedingt
Wenn du dich fragst, „Was ist Emetophobie?“, helfen dir die folgenden Symptome, die Angst vor dem Erbrechen besser zu erkennen und einzuordnen. Sie betreffen Körper, Psyche und Verhalten – oft gleichzeitig.
Körperliche Symptome
Viele Betroffene spüren deutliche körperliche Reaktionen, wenn sie mit dem Thema Erbrechen konfrontiert werden. Dazu gehören:
- Herzklopfen und erhöhte Herzfrequenz
- Starkes Schwitzen
- Mundtrockenheit
- Atembeschwerden
- Zittern
- Beklemmendes Gefühl in der Brust
- Übelkeit
- Unangenehme Empfindungen im Bauch- oder Brustbereich
Psychische Symptome
Neben den körperlichen Anzeichen treten häufig auch belastende Gedanken oder Wahrnehmungsveränderungen auf:
- Schwindelgefühl oder Benommenheit
- Angst vor Kontrollverlust
- Angst zu sterben
- Gefühl der Unwirklichkeit (Derealisation) oder das Gefühl, neben sich zu stehen (Depersonalisation)
Verhaltensbedingte Symptome und typische Vermeidungsstrategien
Um die Angst vor dem Erbrechen zu kontrollieren oder möglichen Auslösern aus dem Weg zu gehen, entwickeln viele Betroffene komplexe Vermeidungsmechanismen:
Nahrungsbezogene Strategien:
- Verzicht auf leicht verderbliche Lebensmittel
- Reduziertes oder übervorsichtiges Essverhalten
- Vermeidung von Essen in der Öffentlichkeit
Räumliche und soziale Vermeidung:
- Orte mit möglicher Ansteckungsgefahr werden gemieden (z. B. Schulen, Krankenhäuser, Busse)
- Reisen, Partys oder größere Veranstaltungen werden vermieden
- Soziale Kontakte nehmen ab, aus Angst, mit dem Thema Erbrechen konfrontiert zu werden
Zwanghaftes Sicherheitsverhalten:
- Häufiges Überprüfen von Haltbarkeitsdaten
- Übermäßige Hygienemaßnahmen
- Ständiges Beobachten des eigenen Körpers auf Anzeichen von Übelkeit
- Vorbereiten von Fluchtmöglichkeiten, etwa durch bestimmte Sitzplatzwahl oder Notfallausrüstung
Selbsttest: Könnte ich Emetophobie haben?
Du bist unsicher, ob deine Angst vor dem Erbrechen noch im normalen Rahmen liegt? Dann hilft dir dieser kurze Selbsttest zur Orientierung. Er basiert auf typischen Erfahrungen von Menschen mit Emetophobie.
Beantworte die folgenden Aussagen ehrlich. Je mehr Aussagen auf dich zutreffen, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine emetophobische Tendenz oder Angststörung vorliegt.
Trifft das auf dich zu?
- Ich habe starke Angst davor, mich zu übergeben – allein der Gedanke daran belastet mich sehr.
- Ich meide bestimmte Lebensmittel oder esse nur sehr vorsichtig, um Übelkeit zu vermeiden.
- Ich fühle mich in öffentlichen Situationen unwohl, weil ich Angst habe, mich dort übergeben zu müssen.
- Ich beobachte ständig meinen Körper, um mögliche Anzeichen von Übelkeit frühzeitig zu erkennen.
- Ich meide Orte, an denen ich mich anstecken könnte (z. B. Schulen, Krankenhäuser, Busse).
- Ich habe Angst davor, andere sich übergeben zu sehen oder davon zu hören.
- Meine Angst hat bereits Einfluss auf mein soziales Leben, meine Ernährung oder meinen Alltag.
- Ich habe Sicherheitsrituale oder Strategien entwickelt (z. B. Sitzplatzwahl, Notfalltasche, Medikamente), um mich zu beruhigen.
- Ich vermeide Alkohol, Medikamente oder Reisen, um jede Möglichkeit von Übelkeit zu umgehen.
- Ich schäme mich für meine Angst und habe bisher kaum mit anderen darüber gesprochen.
Auswertung (unverbindlich):
- 0–2 Punkte → Deine Sorge liegt vermutlich im normalen Bereich.
- 3–5 Punkte → Möglicherweise zeigen sich erste Anzeichen einer übersteigerten Angst.
- 6 Punkte oder mehr → Es spricht einiges für eine mögliche Emetophobie. Eine therapeutische Einschätzung wäre sinnvoll.
Wichtig: Dieser Test ist kein medizinisches Diagnoseinstrument, sondern dient lediglich der Orientierung. Wenn du das Gefühl hast, dass dich die Angst vor dem Erbrechen im Alltag belastet, sprich mit einer Fachperson. Du musst nicht allein damit klarkommen – professionelle Hilfe kann entlasten und neue Wege aufzeigen.
Kann Angst selbst Übelkeit auslösen? Der Teufelskreis bei Emetophobie
Was ist Emetophobie – und warum scheint es manchmal, als würde allein die Angst vor dem Erbrechen körperliche Beschwerden auslösen?
Tatsächlich ist das möglich. Denn dass wir Menschen uns übergeben können, ist eine extrem wichtige und sehr schlaue Funktion. Für das Erbrechen ist ein spezieller Bereich unseres Gehirns zuständig und kann durch verschiedene Auslöser aktiviert werden, zum Beispiel:
- Toxische Substanzen im Blut, wie Alkohol
- Signale aus dem Magen-Darm-Trakt
- Starke Gerüche oder unangenehme Geschmäcker
- Ekel
- Erhöhter Hirndruck (zum Beispiel durch ein Schädel-Hirn-Trauma)
Doch auch Stress und Angst – wie sie bei Emetophobie häufig auftreten – können körperliche Reaktionen hervorrufen.

Wenn du unter starkem Stress oder Angst leidest, aktiviert dein Körper das Alarmsystem, den sogenannten Sympathikus. Gleichzeitig wird der Parasympathikus, der für Entspannung und Verdauung zuständig ist, gehemmt.
Das Ergebnis: Die Verdauung verlangsamt sich, während dein Körper sich auf Kampf oder Flucht vorbereitet. Diese körperliche Reaktion zeigt sich oft als:
- flaues Gefühl im Magen
- leichte Übelkeit
- Druck oder Unruhe im Bauch
Dabei liegt häufig kein körperlicher Auslöser wie ein Infekt vor – das Unwohlsein entsteht allein durch die Angst.
Der Teufelskreis: Angst erzeugt Übelkeit, Übelkeit verstärkt Angst
Hier beginnt oft ein fataler Kreislauf, der typisch für die Emetophobie ist:
- Du spürst ein leichtes Unwohlsein im Magen (vielleicht stressbedingt).
- Du interpretierst dieses Gefühl sofort als Vorboten des Erbrechens.
- Diese Interpretation löst massive Angst vor dem Erbrechen aus.
- Die Angst verstärkt die körperlichen Stresssymptome – inklusive der Übelkeit.
- Die stärkere Übelkeit bestätigt deine Angst, was zu noch mehr Angst führt
- … und so weiter.
In der Psychologie spricht man in diesem Zusammenhang von einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung oder einer klassischen Konditionierung: Dein Körper lernt, auf die Angst mit typischen körperlichen Symptomen wie Übelkeit zu reagieren – selbst wenn kein „echter“ Grund vorliegt.

Ein zentraler Schritt im Umgang mit Emetophobie ist daher, zu lernen, zwischen echter Übelkeit (z. B. durch einen Infekt) und der durch Angst ausgelösten Übelkeit zu unterscheiden. Dieses Wissen allein kann bereits entlasten und dir ein Stück Sicherheit und Kontrolle zurückgeben.
Ursachen, Entstehung und typische Trigger der Emetophobie
Was ist Emetophobie und wie entsteht sie?
Man geht davon aus, dass Menschen, die an Emetophobie leiden, eine allgemein höhere Ängstlichkeit aufweisen und ihr Angst außerdem stark körperlich ausdrücken. Häufig zeigen Betroffene auch ein starkes Ekelempfinden. Meistens gibt es eine auslösende Situation, die dann alles weitere in Gang setzt. Plötzlich leben wir nicht mehr im Hier und Jetzt, sondern stecken in der Vergangenheit oder in der Zukunft fest: Das äußert sich in Gedanken wie beispielsweise „Wie schrecklich peinlich war das damals!“ oder „Ich fahre keinen Bus mehr, denn dann könnte mir wieder schlecht werden.“
Angst und Ekel sind Gefühle, die uns schützen sollen:
- Angst hält uns unter anderem davon ab, leichtsinnige Dinge zu tun, die uns in Gefahr bringen könnten.
- Ekel schützt uns vor Krankheiten, die uns oder auch unsere Familie/Gemeinschaft gefährden könnten.
Das ist alles gut und „überlebens“wichtig für uns Menschen. Allerdings können diese Gefühle bei übermäßiger Ausprägung auch mehr belasten als schützen.
Das bio-psycho-soziale Modell der Emetophobie
Um besser zu verstehen, was Emetophobie ist, lohnt sich ein Blick auf das bio-psycho-soziale Modell. Es beschreibt, wie psychische Erkrankungen durch das Zusammenspiel biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren entstehen und warum sie oft so tief verankert sind.
1. Biologische Faktoren (Die körperliche Basis)
- Genetische Veranlagung: Angststörungen treten in manchen Familien gehäuft auf. Das heißt nicht, dass Emetophobie direkt vererbt wird, aber eine gewisse Empfindlichkeit für Ängste kann begünstigt sein.
- Empfindliches Nervensystem: Vielleicht reagierst du besonders stark auf Stress oder körperliche Signale wie Übelkeit. Das vegetative Nervensystem schaltet schneller in den Alarmzustand und Symptome wie Herzklopfen oder Schwindel können dadurch leichter entstehen.
- Hirnaktivität: Bei Menschen mit Angststörungen sind oft bestimmte Hirnareale, wie die Amygdala (das Angstzentrum), überaktiv. Das kann dazu führen, dass auch neutrale Reize als bedrohlich eingestuft werden und eine starke Angstreaktion auslösen.
2. Psychologische Faktoren (Erfahrungen, Gedanken, Verhalten)
Dies ist oft der Bereich, in dem die Angst vor dem Erbrechen konkret geformt wird:
- Prägende negative Erfahrungen: Sehr oft steht am Anfang eine besonders unangenehme oder als traumatisch erlebte Situation mit Erbrechen – vielleicht in der Kindheit, in der Öffentlichkeit, verbunden mit starker Scham, Hilflosigkeit oder Kontrollverlust. Dein Gehirn verknüpft Erbrechen daraufhin mit Gefahr und löst bei allem, was daran erinnert, Angst aus (erlerntes Verhalten/Angst).
- Katastrophengedanken: Du neigst vielleicht dazu, harmlose Körperempfindungen (z.B. leichtes Unwohlsein, Magengrummeln) sofort als sicheres Anzeichen für bevorstehendes Erbrechen zu interpretieren und malst dir die schlimmsten Folgen aus („Ich muss mich gleich übergeben, das wird furchtbar!“).
- Vermeidung und Sicherheitsverhalten: Wie bereits oben im Symptome-Abschnitt beschrieben, führt die Angst vor dem Erbrechen oft dazu, dass du bestimmte Situationen, Orte oder Lebensmittel meidest. Kurzfristig beruhigt das vielleicht, aber langfristig hält es die Angst aufrecht und verstärkt sie sogar, weil du nie die Erfahrung machst, dass deine Befürchtungen meist nicht eintreten. Auch ständiges Kontrollieren (Haltbarkeitsdaten, Körpersignale) oder Sicherheitsstrategien (Notfalltasche) verhindern, dass die Angst abnehmen kann.
- Hohe Ansprüche und Kontrollbedürfnis: Viele Betroffene haben einen hohen Anspruch an sich selbst, möchten nicht „auffallen“, „schwach“ wirken oder die Kontrolle verlieren. Da Erbrechen oft als unkontrollierbar und peinlich empfunden wird, macht dieser hohe Anspruch die Angst vor dem Erbrechen noch größer.
3. Soziale Faktoren (Das Umfeld prägt mit):
Auch dein Umfeld und gesellschaftliche Normen spielen eine Rolle:
- Familiäre Einflüsse: Wurde in deiner Familie vielleicht sehr ängstlich mit Krankheiten umgegangen oder starker Ekel vor Körperflüssigkeiten gezeigt? Solche Muster können unbewusst übernommen werden.
- Gesellschaftliche Tabus: Erbrechen gilt oft als peinlich oder unappetitlich. Diese Haltung fördert Schamgefühle und verstärkt das Gefühl, „nicht normal“ zu sein.
- Fehlendes Verständnis: Leider erleben viele Betroffene, dass ihre Angst vor dem Erbrechen vom Umfeld nicht ernst genommen wird („Hab dich nicht so“, „Ist doch nicht so schlimm“). Dieses Unverständnis kann sehr verletzend sein, zu Rückzug führen und das Gefühl verstärken, mit dem Problem allein zu sein.
Was ist Emetophobie also wirklich? Eine komplexe Angststörung, die aus dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren entsteht und nicht einfach „wegzudenken“ ist. Professionelle Hilfe kann jedoch wirksame Bewältigungsstrategien aufzeigen.

Auswirkungen der Emetophobie auf das tägliche Leben
Wenn du dich mit der Frage „Was ist Emetophobie?“ näher beschäftigst, wirst du schnell merken, dass diese Angststörung das gesamte Leben durchdringen und massiv beeinflussen kann.
Soziale und berufliche Herausforderungen
Die Emetophobie bringt häufig tiefgreifende Einschränkungen im Alltag mit sich – sowohl im sozialen als auch im beruflichen Bereich. Viele Betroffene beginnen, aus Angst vor dem Erbrechen immer mehr Situationen zu vermeiden. Dadurch entsteht nach und nach eine soziale Isolation. Gespräche über die eigenen Ängste fallen schwer, was die Schamgefühle weiter verstärkt und schließlich dazu führt, dass Kontakte abgebrochen und gesellschaftliche Aktivitäten vollständig aufgegeben werden.
Auch im Berufsleben machen sich die Auswirkungen bemerkbar. Die ständige innere Anspannung erschwert die Konzentration und sorgt dafür, dass Termine nur mit großer Überwindung wahrgenommen werden – oder ganz ausfallen. Dienstreisen werden abgesagt, berufliche Chancen nicht genutzt, und schon der Weg zur Arbeit, etwa mit öffentlichen Verkehrsmitteln, kann zur unüberwindbaren Hürde werden.
Gesundheitliche Folgen
Neben den sozialen und beruflichen Auswirkungen kann die Emetophobie auch die körperliche Gesundheit erheblich beeinträchtigen. Viele Betroffene essen nur noch sehr eingeschränkt oder verzichten auf bestimmte Lebensmittel aus Angst vor Übelkeit. Das kann zu Untergewicht und Mangelernährung führen. Hinzu kommt, dass der eigene Körper permanent beobachtet wird – jede Empfindung wird kritisch bewertet. Diese ständige Selbstkontrolle wiederum verstärkt die Angstspirale.
Emotionale Belastungen
Die emotionale Belastung ist für viele das Schwerwiegendste. Der Alltag ist geprägt von einer fast permanenten inneren Anspannung. Gefühle der Hilflosigkeit wachsen, wenn die Angst trotz aller Anstrengungen nicht abnimmt. Scham über die eigenen Reaktionen kann das Selbstwertgefühl stark beeinträchtigen. Oft entsteht daraus eine tiefe Frustration, die sich auf alle Lebensbereiche auswirkt und zu einem Gefühl von Ausweglosigkeit führen kann.
Besondere Herausforderungen für Familien
Eltern mit Emetophobie
Für Eltern bedeutet Emetophobie einen psychisch extrem belastenden inneren Konflikt: Sie erleben einerseits eine lähmende Angst vor Kinderkrankheiten und gleichzeitig zerreißt sie der Konflikt zwischen notwendiger Fürsorgepflicht und überwältigender Angst. Oft resultiert dies in einem zwanghaften, übermäßigen Kontrollverhalten. Zusätzlich quälen sie massive Schuldgefühle.
Familien mit betroffenen Kindern
Auch wenn Kinder selbst unter Emetophobie leiden, ist der Familienalltag häufig stark belastet. Schon das gemeinsame Essen wird zur täglichen Herausforderung, wenn die Angst vor Übelkeit im Raum steht. Schulvermeidung, häufige Bauchschmerzen oder Angst vor Klassenfahrten können auftreten. Gemeinsame Aktivitäten werden immer seltener – aus Angst, etwas könnte passieren. Letztlich leiden oft alle Familienmitglieder unter der ständigen Anspannung, dem Rückzug und den fehlenden Freiräumen.
Einblicke aus der Praxis: Emetophobie Erfahrungsberichte
Die bisherigen Abschnitte haben erklärt, was ist Emetophobie, welche Symptome auftreten und welche Ursachen dahinterstecken können. Doch oft helfen konkrete Beispiele und Emetophobie Erfahrungsberichte am besten, um das Ausmaß und die Belastung dieser Angst wirklich greifbar zu machen.
In den letzten Jahren hat die Anzahl an Erfahrungsberichten von jungen Menschen, die auf YouTube oder vergleichbaren Plattformen über ihre Angst vor dem Übergeben sprechen, deutlich zugenommen.
Zudem wurde mit EmetAction die weltweit erste Wohltätigkeitsorganisation für Emetophobie ins Leben gerufen. Ihre Aufgabe ist es, über die Erkrankung aufzuklären, Betroffene zu unterstützen und Hoffnung zu vermitteln. Diese positive Entwicklung lässt darauf hoffen, dass junge Menschen in Zukunft schneller die Hilfe erhalten, die sie benötigen, um ein glückliches und erfülltes Leben ohne die lähmende Angst vor dem Übergeben zu führen.
Quelle: Emetophobie: Die unerkannte Krankheit (aerzteblatt.de)
Hier ist einer der Emetophobie Erfahrungsberichte eines meiner jungen Klienten.
In meiner Praxis habe ich bereits mehrfach Familien begleitet, die unter den Auswirkungen der Emetophobie leiden:
Ein Beispiel ist ein Junge, den ich vor etwa einem Jahr unterstützen durfte. Er kam zu mir, nachdem er einen heftigen Magen-Darm-Virus durchgemacht und danach eine wahnsinnige Angst vor dem Übergeben entwickelt hatte. In meiner Emetophobie Therapie hat nach und nach gelernt, mit seiner Übelkeit umzugehen. Er hat gelernt, seine Gefühle zu erkennen, er hat seine Übelkeit kennengelernt und achtsam wahrzunehmen, wann sich was wie genau anfühlt. Wir haben Atemtechniken und andere Übungen geübt, die er nun in schwierigen Situationen eigenständig anwenden kann.
Nach und nach wurden die Symptome weniger, da er durch das Gefühl der Selbstwirksamkeit Sicherheit gewann. Jetzt hat er nur noch in ganz wenigen Situation leichte Übelkeit, mit der er gelernt hat, selbst umzugehen.
Für mich ist es so schön, die Fortschritte und Erfolge mitzuerleben. Er hält mich immer noch zwischendurch auf dem Laufenden. 😊 Zu hören, wie er jetzt problemlos in die Schule geht und sogar einem Hobby nachgeht, ist wirklich toll!
Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten (Kurzüberblick)
Was ist Emetophobie – und wie erkennt man, ob wirklich diese spezielle Angststörung vorliegt
Wie bereits erwähnt, ist eine Diagnose dieser Erkrankung nicht immer leicht. Es gibt viele Störungen, die ähnliche Symptome aufweisen und es ist nicht ungewöhnlich, dass Emetophobie fälschlicherweise als Essstörung oder Reizdarmsyndrom diagnostiziert wird.
Daher muss eine genaue Diagnostik gemacht werden und es gilt unter anderem folgende Fragen zu klären: Handelt es sich um Emetophobie oder könnte es eine andere Störung sein, wie beispielsweise Schulangst? Ist die Emetophobie eine primäre Erkrankung oder tritt sie als sekundäre Störung in Kombination mit einer anderen Erkrankung auf? Ist sie eher eine Angst- oder eine Zwangsstörung?
Therapiemöglichkeiten bei der Emetophobie Behandlung im Überblick:
- Kognitive Verhaltenstherapie
- Achtsamkeitstraining
- Atemübungen
- Entspannungstechniken
- Psychoedukation (Verstehen der Symptome)
In der Verhaltenstherapie kommen oft auch Konfrontationsübungen zum Einsatz. Sie helfen dabei, sich schrittweise mit angstauslösenden Situationen auseinanderzusetzen und so die Kontrolle zurückzugewinnen. Ich selbst arbeite zusätzlich gerne mit dem Verfahren EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing). Es stammt ursprünglich aus der Traumatherapie und hat sich auch bei der Behandlung von Emetophobie als hilfreich erwiesen.
Wichtig ist: Jeder Mensch ist anders. Deshalb muss auch jede Therapie individuell angepasst werden. Es gibt keine Standardlösung – aber es gibt effektive Wege, die Angst zu bewältigen und wieder Vertrauen in den eigenen Körper zu gewinnen.
Erfolgsaussichten und typische Behandlungsdauer
Emetophobie ist gut behandelbar. Das zeigen sowohl Erfahrungen aus der Praxis als auch Rückmeldungen vieler Betroffener. Je früher man sich mit der eigenen Angst auseinandersetzt, desto besser stehen die Chancen, den Alltag wieder freier und selbstbestimmter zu gestalten.
Natürlich ist der Weg nicht immer leicht – doch er lohnt sich. Mit professioneller Begleitung und dem passenden Ansatz kann es gelingen, Schritt für Schritt mehr Sicherheit zu gewinnen und die Angst vor dem Erbrechen zu überwinden.
Erste Selbsthilfe-Ansätze: Was hilft gegen die Angst vor dem Übergeben?
Übung to go – Die Bauchatmung 😊
- Leg deine Hände auf deinen Bauch. Dies hilft dir, besser wahrzunehmen, wie sich deine Atmung auf deinen Bauch auswirkt.
- Atme bewusst tief ein, direkt in deinen Bauch hinein. Dein Bauch sollte sich dabei ausdehnen und rund werden.
- Halte deinen Atem kurz an.
- Atme dann langsam und kontrolliert aus. Versuche, länger auszuatmen, als du eingeatmet hast. Dein Bauch wird dabei wieder flach.
Wiederhole diese Übung nach Bedarf.
Diese Übung aktiviert unseren Parasympathikus, das ist der Teil unseres Nervensystems, der uns hilft, zur Ruhe zu kommen. Du kannst diese Übung gerne mal ausprobieren. Natürlich ersetzt sie keinen Arzt- oder Therapeutenbesuch.
Mehr Übungen und Strategien?
Das hier sind nur erste Anregungen. Viele weitere konkrete Übungen (z.B. zur Achtsamkeit, zum Umgang mit Körperempfindungen, Gedankenübungen) und detaillierte Anleitungen findest du demnächst in meinem Artikel „Emetophobie Übungen: praktische Hilfe zur Selbsthilfe“.
Auch in meiner Podcastfolge „Gedankenkarussell stoppen“ spreche ich darüber, wie du dich in akuten Momenten stabilisieren kannst. Hör gerne mal rein!
Unterstützung durch Angehörige
Nicht nur Betroffene selbst, auch Angehörige stehen oft vor der Frage: Wie kann ich helfen, ohne zu überfordern? Hier ein paar Impulse, wie du deine Unterstützung sinnvoll gestalten kannst:
- Verständnis zeigen – nicht verharmlosen: Nimm die Ängste ernst, auch wenn sie für dich schwer nachvollziehbar sind. Aussagen wie „Ist doch nicht so schlimm“ oder „Das bildest du dir ein“ helfen nicht. Besser ist: zuhören, mitfühlen, ohne zu werten.
- Ruhe bewahren – Sicherheit vermitteln: Wenn dein Gegenüber in einer Angstsituation ist, bleib ruhig und ansprechbar. Allein deine ruhige Präsenz kann beruhigend wirken, ohne dass du eine Lösung liefern musst.
- Vermeidung nicht bestärken: Auch wenn es gut gemeint ist: Unterstütze nicht unbewusst Vermeidungsverhalten (z. B. ständig neue „sichere“ Lebensmittel besorgen oder Situationen stellvertretend übernehmen). Stattdessen: gemeinsam kleine Schritte wagen und zur Selbstwirksamkeit ermutigen.
- Informieren – die Angst verstehen lernen: Je mehr du über Emetophobie weißt, desto besser kannst du die Reaktionen und Bedürfnisse deines Angehörigen einordnen. Informationen aus verlässlichen Quellen, Fachliteratur oder Selbsthilfegruppen können dir dabei helfen, mitfühlend und klar zugleich zu bleiben.
- Zur Unterstützung ermutigen: Mach behutsam Mut, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, ohne Druck auszuüben. Biete z. B. an, gemeinsam einen Termin zu vereinbaren oder mitzugehen.
Hilfreiche Ressourcen und Buchempfehlungen
Wenn Du Dich weiter mit dem Thema Emetophobie auseinandersetzen möchtest – sei es als Betroffene/r, Angehörige/r oder einfach aus Interesse – können Bücher eine wertvolle Unterstützung sein. Sie vertiefen das Verständnis dafür, was Emetophobie ist, wie sie sich äußert und welche Wege es aus der Angst vor dem Erbrechen geben kann. Wissen kann oft erste Erleichterung bringen und das Gefühl des Alleinseins reduzieren.
Hier einige Empfehlungen:
- Kinderbuch „Der kleine Bauchweh“
- Kinderbuch „Du bist also meine Angst“
- Buch für Betroffene und Therapeuten: „Mein Köpfchen sagt: »Ich muss erbrechen!«: Mit Achtsamkeit aus der Emetophobie.“
Das Buch ist interessant für dich, wenn du es wirklich genau wissen möchtest. Es wird sehr detailliert auf alles eingegangen - Angst vor Übelkeit und Erbrechen: Emetophobie verstehen und überwinden.
Ein Selbsthilferatgeber für Betroffene und ihre Angehörigen.
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Was ist Emetophobie? Ein abschließender Blick und dein Weg nach vorn
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Emetophobie eine belastende Erkrankung ist, die erhebliche Beeinträchtigungen im Alltag verursachen kann. Viele Betroffene kämpfen im Stillen mit der Angst vor dem Übergeben, vermeiden Situationen, die ihnen wichtig sind, und fühlen sich im Alltag zunehmend eingeschränkt.
Dennoch gibt es viele Möglichkeiten zur Besserung. Aktuelle Behandlungsstrategien, wie beispielsweise die EMDR-Therapie, haben sich als wirkungsvoll erwiesen. Ich biete diese Therapieform an und konnte bereits zahlreichen Menschen helfen, ihre Ängste zu überwinden.
Wenn du selbst betroffen bist oder mehr über EMDR erfahren möchtest, lade ich dich herzlich zu einem kostenfreien Kennenlerngespräch ein. Du bist nicht allein mit deiner Angst! Es gibt Hilfe und Hoffnung. Der erste Schritt besteht darin, sich zu informieren, was ist Emetophobie überhaupt genau, dann das Gespräch zu suchen und Unterstützung zu finden.